unmittelbare Diskriminierung – auch ohne individuell Betroffenen
Eine öffentliche diskriminierende Äußerung kann auch ohne individuell Betroffenen eine unmittelbare Diskriminierung darstellen.
Wer sich als Arbeitgeber öffentlich rassistisch äußert z.B. in einem Ausländer diskriminierenden Fernsehinterview, muss mit Sanktionen rechnen – auch wenn er niemanden persönlich angreift.
In dem Fall der dem EuGH, (Urteil v. 10.7.2008, Rechtssache C-54/07) zur Entscheidung vorgelegt wurde hatte ein belgischer Arbeitgeber Türenmonteure zur Einstellung gesucht. Auf die Stellenausschreibung hatten sich größtenteils Marokkaner gemeldet, die das Unternehmen aber nicht einstellte. In einem Fernsehinterview äußerte der Direktor des Unternehmens sinngemäß:
„Von Kundenseite wird oft der Einsatz von Ausländern abgelent. Ich muss mich nach den Forderungen meiner Kunden richten. Wenn sie keine Ausländer wollen und ich dennoch welche einsetzte dann werden Sie mir Auftäge entziehen. Dann kann ich mein Geschäft schließen.“
Wegen dieser Aussage wurde die Firma vom belgischen Zentrum für Chancengleichheit und für Bekämpfung des Rassismus verklagt.
Was bedeutet dieses Urteil des EuGH für unser nationales Recht?
Die Entscheidungen des EuGH haben zwar nicht unmittelbar Geltung für das deutsche Recht, jedoch können europarechtliche Entscheidungen dazu führen, dass deutsche Vorschriften wie z.B. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG europarechtskonform auszulegen oder gar nicht anzuwenden sind. Darüber hinaus werden die vom EuGH aufgezeigten nationale Defizite bei Gesetzesänderungen zu berücksichtigten sein. Daher reicht es nicht mehr aus ausschließlich das nationale Recht zu kennen und anzuwenden, sondern europarechtliche Entscheidungen wie die obige müssen berücksichtigt werden.
Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der EU in nationales Recht – AGG
Die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU legen den Arbeitgebern strenge Verhaltenspflichten auf. Diese sind durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – AGG in nationales Recht umgesetzt worden.
Nach dem AGG können z.B. Bewerber, die wegen Ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert werden unter erleichterten Bedingungen Entschädigung bis zu drei Monatsgehältern geltend machen.
Äußerungen durch die ein Arbeitgeber öffentlich kundtut, dass er im Rahmen seiner Einstellungspolitik keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft beschäftigen werde lassen eine diskriminierende Einstellungspolitik vermuten. Der Arbeitgeber kann dem entgegentreten indem er nachweist, dass die tatsächliche Einstellungspraxis des Unternehmens diesen Äußerungen nicht entspricht. Gelingt ihm der Gegenbeweis nicht verbleibt es aufgrund der öffentlichen geäußerten rassistischen Bemerkungen bei der Vermutung einer Diskriminierung.
Die kann dazu führen, dass jeder Bewerber, der zum Kreis der Diskriminierten gehört und sich nach einer diskriminierenden öffentlichen Stellungnahme erfolglos beim Unternehmen bewirbt, gute Chancen auf eine finanzielle Entschädigung hat.
unmittelbare Diskriminierung – auch ohne individuell Betroffenen
Neu und seit der Entscheidung des EuGH bedeutsam ist, dass eine öffentliche diskriminierende Äußerung auch ohne individuell Betroffenen eine unmittelbare Diskriminierung darstellen kann, denn i.v.F. hatte ja nicht ein abgelehnter Stellenbewerber das Unternehmen verklagt, sondern ein Verband, der nicht unmittelbar zum Kreis der Diskriminierten gehörte und folglich nicht persönlich von der Diskriminierung betroffen war.
Unter einer unmittelbaren Diskriminierung versteht man grundsätzlich „eine Situation, in der eine Person aufgrund ihrer enthnischen Herkunft, in einer vergleichbaren Situation, eine weniger gunstige Behandlung als eine andere Person erfährt.“ (= weniger günstige Behandlung als andere Personen in vergleichbarer Lage). „Aus dem Fehlen einer identifizierbaren beschwerten Person kann jedoch nicht auf das Fehlen einer unmittelbaren Diskriminierung geschlossen werden“ so der EuGH. Eine öffentliche diskriminierende Äußerung kann daher auch ohne individuell Betroffenen eine unmittelbare Diskriminierung darstellen.
In der Äußerung habe sich eine unmittelbar diskriminierende Einstellungspolitik des Unternehmens gezeigt. Würden sich nur tatsächlich abgelehnte Stellenbewerber auf eine Diskriminierung berufen können, wäre das nachteilig für einen Arbeitsmarkt, der soziale Eingliederung fördert.
Der EuGH betonte, das europäische Antidiskriminierungsrecht wolle Diskriminierungen nicht nur im Einzelfall bestrafen, sondern generell ein diskriminierungsfreies Arbeitsmarktklima schaffen. Diskriminierende Äußerungen eines Arbeitgebers würden Betroffene davon abhalten, sich zu bewerben. Daher könne auch wenn es kein identifizierbares Opfer gebe darin eine „unmittelbare Diskriminierung“ liegen, für die es „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ geben müsse.
Rechtsbehelfe zur Feststellung und Santionierung der Diskriminierung
Die vom EuGH im obigen Fall bejahrte Frage ob eine unmittelbare Diskriminierung anzunehmen ist ist zu unterscheiden von der Frage welche Rechtsbehelfe zur Festsellung und Santionierung der Diskriminierung nach nationalem Recht vorgesehen sind.
In dem belgischen Fall hatte ein Antidiskriminierungsverband gegen die diskriminierende Personalpolitik des Unternehmens geklagt. Das ist nach belgischen Gesetzen möglich.
Im Gegensatz zu Belgien haben die Verbände in Deutschland jedoch nur ein Beistands-, nicht aber ein eigenständiges Klagerecht gegen Diskriminierungen. Nach dem Urteil des EuGH müsste es aber Sanktionen gegen den Arbeitgeber auch in diesen Fällen geben. Unser nationales Recht – wie das AGG sieht derzeit solche Sanktionsmöglichkeiten jedoch nicht vor.
Wie die Gesetzgebung und Rechtsprechung dieser durch den EuGH auferlegten Verpflichtung zur Sanktionierung einer Diskriminierung auch ohne individuell Betroffenen nachkommt und ob sie dabei den vom EuGH unterbreiteten Vorschlägen folgen bleibt abzuwarten
FAZIT: Sicher ist dass eine öffentlich rassistische Äußerung des Arbeitgebers nicht sanktionslos bleibt. Mit einer solch öffentlich rassistisch Äußerung gehen Arbeitgeber hohe finanzielle Risiken ein nicht nur von abgelehnten Stellenbewerbern sondern auch von nicht unmittelbar Betroffenen in Anspruch genommen zu werden. Dieses Risiken sind vermeidbar.
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