Kündigungsfristen – Zur Frage ob Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt werden
Soweit vertragliche keine Regelung über die Kündigungsfristen getroffen wurden, richten sich die Kündigungsfristen für Arbeitsverhältnisse nach der gesetzlichen Regelung des §622 BGB. Hierbei unterscheidet man die sog. Grundkündigungsfrist in §622 Absatz 1 BGB von den verlängerten Kündigungsfristen des §622 Absatz 2.
Grundkündigungsfrist in §622 Absatz 1 BGB
Nach der Grundkündigungsfrist des §622 Absatz 1 BGB kann sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende gekündigt werden. Achtung: Bei der Fristberechnung ist die Grundkündigungsfrist von 4 Wochen nicht identisch mit 1 Monat ! Auch besteht die Besonderheit, dass bei einer vereinbarten Probezeit für max. 6 Monate die Kündigungsfrist auf 2 Wochen reduziert werden kann §622 Absatz 3 BGB.
verlängerten Kündigungsfristen des §622 Absatz 2.
In den Fällen in denen das Arbeitsverhältnis 2 Jahre und mehr besteht verlängern sich die Kündigungsfristen auf Seiten des Arbeitgebers stufenweise nach der Regelung des §622 Absatz 2 auf bis zu 7 Monate. Achtung: die verlängerten Kündigungsfristen gelten aber nicht für Kündigungen durch den Arbeitnehmer.
Bestand des Arbeitsverhältnisses Kündigungsfrist
2 Jahre 1 Monat zum Monatsende
5 Jahre 2 Monate zum Monatsende
8 Jahre 3 Monate zum Monatsende
10 Jahre 4 Monate zum Monatsende
12 Jahre 5 Monate zum Monatsende
15 Jahre 6 Monate zum Monatsende
20 Jahre 7 Monate zum Monatsende
Regelung des §622 Absatz 2 Satz 2 BGB
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden, nach §622 Absatz 2 Satz 2 Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.
Das führt dazu, dass z.B. ein Arbeitnehmer, der bereits seit seinem 20. Lebensjahr im Betrieb beschäftigt ist bei einer Kündigung nach 6 Jahren nur Anspruch auf Einhaltung der Grundkündigungsfrist des §622 Absatz 1 BGB hat. Wäre er dagegen erst mit 30 Jahren eingestellt worden, würde die Kündigungsfrist nach 6 Jahren 2 Monate zum Monatsende betragen.
Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung
Die Anknüpfung an das Alter im §622 Absatz 2 Satz 2 BGB verstößt nach der überwiegenden Ansicht der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und ist daher europarechtswidrig. Die Folgen der Europarechtswidrigkeit sind jedoch derzeit in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung unklar.
Unanwendbarkeit des §622 Absatz 2 Satz 2 BGB
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.7.2008 Az.: 10 Sa 295/08) und das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 28.5.2008 Az.: 3 Sa 31/08) wenden §622 Absatz 2 Satz 2 BGB wegen des Verstoßes gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung nicht mehr an und berechnen die Kündigungsfristen unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers.
Anwendbarkeit des §622 Absatz 2 Satz 2 BGB trotz europarechtswidrigkeit
Das LAG RhPf (Urteil vom 31.7.2008 Az.: 10 Sa 205/08) wendet die Vorschrift des §622 Absatz 2 Satz 2 BGB an selbst wenn sie europarechtswidrig ist.
Aufgrund der dargestellten Uneinigkeit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung hat das LAG Düsseldort (Beschluss vom 31.11.2007 Az.: 12 Sa 1311/07) jüngst einen Rechtsstreit bei dem es um die Anwendung von §622 Absatz 2 Satz 2 BGB geht ausgesetzt und dem EuGH die Fragen zur Entscheidung vorgelegt:
- ob §622 Absatz 2 Satz 2 BGB gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt und wenn ja
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ob ggf. die Regelung gerechtfertigt sein könnte.
-
im Falle des Verstoßes ohne Rechtfertigugsmöglichkeit welche Folgen sich daraus im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Regelung des §622 Absatz 2 Satz 2 BGB für die Gerichte ergeben
Eine Entscheidung des EuGH diesbezüglich steht noch aus. (Vorabentscheidungsersuchen des LAG Düsseldorf eingereicht am 13.12.2007 Rechtssache C-555/07).
Fazit für die Praxis: Je nachdem welcher Ansicht das zuständige Arbeitsgericht derzeit folgt ist der Ausgang eines Rechtsstreits nicht vorhersehbar. Als Arbeitgeber sollten sie die Regelung des §622 Absatz 2 Satz 2 BGB anwenden, wenn sich für sie im konkreten Fall dadurch eine kürzere Kündigungsfrist ergibt, denn für den Fall das das zuständige Arbeitsgericht die Norm für nicht anwendbar ansieht, korrigiert es die Kündigungsfrist. Die Wirksamkeit der Kündigung selbst wird durch eine fehlerhafte Fristberechnung nämlich nicht berührt.
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