Wann darf ich als Arbeitnehmer bei rückständiger Vergütung meine Arbeitsleistung zurückbehalten?

December 09, 2010  |   Blog   |     |   0 Comment

Das ist eine in der Praxis von Mandanten häufig gestellte Frage. Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Arbeitsleistung um rückständige und bereits fällig gewordene Lohnansprüche zu realisieren ist ein gutes Druckmittel um den Arbeitgeber zur Zahlung der Vergütung anzuhalten. Es darf nur nicht leichtfertig in Anspruch genommen werden, denn eine unberechtigte Inanspruchnahme stellt eine Arbeitsverweigerung dar und kann nach Abmahnung zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen.

Worauf das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird auf §273 BGB oder auf §320 BGB ist umstritten. Überwiegend geht man bei Lohnrückständen davon aus, dass der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht nach §273 BGB und nicht nach §320 BGB hat, da der ausstehende Lohnanspruch für die Vergangenheit nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis zur aktuellen Arbeitsleistung steht.

Unabhängig jedoch von dieser dogmatischen Frage darf das Zurückbehaltungsrecht nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden. Zu Berücksichtigen ist das Gebot von Treu und Glauben gemäß §242 BGB.

 1. Treuwidrigkeit wegen Geringfügigkeit

Treuwidrig ist die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes wenn kein grobes Missverhältnis zwischen zurückgehaltener Leistung und Gegenanspruch bestehen darf. So ist die Weigerung weiter zu arbeiten, weil ein geringfügiger Lohnrückstand besteht nicht vom Zurückbehaltungsrecht gedeckt . Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Arbeitnehmer für seinen Lebensunterhalt auf vollständige und pünktliche Entgeltzahlung angewiesen ist, so dass die Geringfügigkeitsgrenze sehr schnell überschritten sein kann. Unklar ist allerdings wo genau die Grenze zu ziehen ist.

In einer älteren Entscheidung des BAG vom 25.10.1984 Az: 2 AZR 387/95 hat es einen Rückstand i.H.v. 1,3 Monatsverdienste als nicht mehr geringfügigen Lohnrückstand angesehen. In der Praxis wird die Vergütung meist als Monatslohn gezahlt, so dass der Arbeitnehmer legt man den Maßstab des BAG zugrunde für mindestens 2 Monatsverdienste in Vorleistung treten muss.

 2. Treuwidrigkeit aus anderen Umständen

Darüber hinaus kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes auch aus anderen Umständen treuwidrig sein, wenn z.B. 

  • andere weniger belastende Möglichkeiten zur Durchsetzung des Anspruchs bestehen,
  • wenn es sich um eine nur kurzfristige Zahlungsverzögerung handelt,
  • wenn der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen besonders dringend auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers angewiesen ist oder
  • wenn dem Arbeitgeber durch die Ausübung besondere Nachteile wie z.B. eine hohe Vertragsstrafe drohen

 Diese Punkte sind vor Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes stets mit in Betracht zu ziehen.

Fazit: Erst wenn ein Lohnrückstand von mindestens 2 Monatsverdiensten eingetreten ist kann man sich über die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes Gedanken machen. Vor der Ausübung sollte man stets überprüfen ob die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes aus anderen Umständen treuwidrig sein könnte, denn die unberechtigte Inanspruchnahme hat für den Arbeitnehmer weitreichende Konsequenzen bis hin zur Kündigung.

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